Der sinnlose ideologische Nihilismus des Zeitgeists

Mit dem Begriff  Nihilismus (lat. nihil „nichts“) wird allgemein eine Orientierung bezeichnet, die auf der Verneinung jeglicher Seins-, Erkenntnis-, Wert- und Gesellschaftsordnung basiert. Dieser Begriff erhielt in der abendländischen Geschichte auch eine polemische Qualität, etwa wenn es darum ging, Kirche und Religion abzulehnen.

Tabus haben in diesem Zeitgeist, wie er in der sogenannten „westlichen Welt“ verbreitet ist, und seiner egozentrierten Definition von Freiheit keine Daseinsberechtigung mehr. Alles sei erlaubt und muss daher getan werden, sehr gut erkennbar etwa daran, wie angeblicher Humor zum Ausdruck gebracht wird: nur zur Unterhaltung der Spaßgesellschaft wird unverhohlen und gewissenlos Menschen ihre Würde genommen. Die Komiker, Satiriker, Künstler, oder wie sie sich auch nennen mögen, wissen sich in einer Empörungskultur um Sprache und Identität auf der sicheren Seite des intellektuellen Flachwassers, wenn sie dem Einzelnen keinen Respekt entgegen bringen. Achtung und Menschenwürde, ja auch Höflichkeit und Anstand werden als altmodisch, konservativ diffamiert und mit Füßen getreten. Gerade dieser Egoismus, die Selbstsucht mit Rücksichtlosigkeit sind sichtbare Zeichen in unserer nihilistischen Gesellschaft, aber auch in der Wirtschaft.

Im Nihilismus kann, darf die Gesellschaft aufgrund ihrer egozentrischen Tendenz nicht in Harmonie leben, sondern ist auf Funktionalität angelegt. Die Medien zelebrieren das Unharmonische, in den digitalen Netzwerken wurde es zum Geschäftsmodell. Führungskräfte denken überwiegend in Funktionalität, aber nicht auf Harmonie hin. Das Ganze muss nur funktionieren, nicht harmonieren. Um im Wettbewerb der Beste zu sein und sich daraufhin selbst zu optimieren, wird jedes Mittel recht, auch die Überschreitung von moralischen Grenzen. Jegliche Wertordnung kann missachtet werden, denn der Nihilismus negiert eine grundlegende Wahrheit in der Natur des Menschen: seine Suche nach und seine Begründung im Sinn. Nihilismus lässt eine Sinnlosigkeit entstehen, eine innere Leere, die versucht wird mit immer mehr Karrieredenken, Vergnügen, Konsum und die Gier nach mehr zu füllen. Der Mangel ist allgegenwärtig und so haben Verlockungen und Verführungen Hochkonjunktur, die Menschen fühlen sich im Netz der Manipulationen wohl, erkennen jedoch nicht, dass sie ihre Selbstbestimmung verlieren.

Im postmodernen Nihilismus wird der „geheimnisleere“ Mensch zum Kennzeichen. Sein ganzes Leben und seine Gedanken haben in Ist-Zeit in sozialen Netzwerken öffentlich zu werden, um darin Sinn zu produzieren. Zu allem hat man sofort eine Meinung zu haben. Die eigene Bedeutung soll durch andere gegeben werden nach dem Motto: „Hier funktioniere ich, also bin ich“. Gleichzeitig wird der Mensch immer unfähiger zu trauern und darum auch unfähig zu trösten und sich trösten zu lassen. Menschliche Emotionen, die nicht zum besseren funktionieren beitragen, haben keinen Bestand. Der Mensch wird auch immer unfähiger sich zu erinnern, weil ihm Tradition und Herkunft als suspekt suggeriert werden, und darum manipulierbarer. Als glücklich empfindet sich dieser Mensch am Ende nur im Sinne eines sehnsuchts- und leidfreien Glücks, daher auch der „Buddhismus-light“ in dieser spirituellen Wüste Anhänger findet. Im Grunde ist es aber ein wunschloses Unglück. Gerade jenes drückt den Menschen unter sein eigenes humanes Niveau. Dieses Bedürfnis zu haben erstickt die Sehnsucht, die den Menschen erst zum Menschen macht, das „Verlangen nach Sein“, wie es der Mystiker Meister Eckhart bezeichnet.

Die Missachtung jeglicher Wertordnung, allgemeine Sinnlosigkeit und immer mehr Vergnügen und Konsum, können die Sehnsucht, das „Verlangen nach Sein“, nicht unterdrücken. Die Illusion eines dahingleiten im scheinbaren Glück, scheinbar selbstbestimmt, ist in Wahrheit nur ein hilfloses stochern in Belanglosigkeit und kann das Gefühl der inneren Leere nicht füllen. Ein Gefühl der Unzufriedenheit, des Unglücklichseins ist jedoch latent immer vorhanden, weil im Menschen etwas ist, das die Sinnlosigkeit und die Leere erkennt und sich dagegen wehrt. Dem „Verlangen nach Sein“, das uns Sinn verleiht, können wir nicht entkommen.

Doch was ist dieses „Sein“? Es ist der Geist, der das Universum erschaffen hat und sich in jedem seiner Teile manifestiert und damit auch im Menschen. Das Universum mit aller Materie darin hat sich aus einem einzigen Moment entfaltet, dies ist wissenschaftlicher Stand der Kosmologie. Im Weiteren existieren mathematisch nachvollziehbare Zusammenhänge und Abläufe, die eine Ordnung offenbaren, die nicht funktionieren könnte, wenn der Geist sie nicht schaffen würde. Der Mensch kann sich nicht selbst Sein und Sinn geben, beides ist ihm geschenkt. Der Physiker und Nobelpreisträger Werner Heisenberg stellte fest: Da eine mathematische Struktur letzten Endes ein geistiger Inhalt ist, könnte man auch mit den Worten von Goethes Faust sagen: „Am Anfang war der Sinn“.

Dieser  Sinn, der Geist, ist in allen Teilen enthalten und steuert alle Teile die miteinander agieren, um sich auf eine Harmonie hin zu optimieren. Betrachtet man die Natur, dann ist alles in Wechselwirkung, alles folgt einer gewissen Logik, alles ist in sich harmonisch. Es muss darin ein ordnender Geist in allen Teilen vorhanden sein, und so muss dieser Geist auch in jeder Zelle des Menschen vorhanden sein und wirken. Eine Option, das alles nur Zufall wäre, gibt es nicht, die Komplexität allen Seins, das ein Ziel, einen Sinn verfolgt, lässt dies nicht zu.

Über das innere Wesen des reinen Geistes lässt sich nichts Genaues aussagen. Im Christentum erfährt der Mensch, das es dreifaltig ist, Vater, Sohn und Hl. Geist, sowie über seine Absichten und Ziele: die Liebe. Doch letztlich muss dieser reine Geist, Gott, ein Geheimnis bleiben, sonst wäre er nicht der wahre Gott. In der Personalisierung Gottes in den monotheistischen Religionen gab sich das „Ich“ Gottes selbst Eigenschaften, im göttlichen Sohn Jesus Christus in der Vollendung gab er sein eigentliches Wesen preis: die Liebe. Sich kein Bild von Gott zu machen, bedeutet, ihn in seinem Wesen zu suchen und nicht in der menschlichen Einbildung oder philosophischen Nachdenken.

Das Unglück des Menschen ist nicht nur, dass er sich im Nihilismus keinen Sinngeber, außer sich selbst, vorstellen kann, sondern Gott auch als außerhalb von sich oder nirgends meint. Die Menschen sind jedoch nicht getrennt von einem höheren Sinn, sie befinden sich im höheren Sinn. Für den Menschen mit seiner eigenen Geisteskraft und eigenem Willen ist dies natürlich schwer zu begreifen und zu akzeptieren. Auch die fatalistische Weltanschauung, dass alles unabänderlich bestimmt ist, bedeutet nicht zwangsläufig die Folgerung, menschliche Entscheidungen und Handlungen seien sinnlos. Im Plan des Schöpfergeistes ist der Mensch ihm ebenbildlich mit eigenem Geist und Willen ausgestattet, und das muss einen Sinn haben, denn der Mensch wurde zur Liebe geschaffen, die nur mit einer bewussten Entscheidung aus freiem Willen wahrhaft Liebe ist.

Ausgestattet mit dieser Fähigkeit zu lieben und weiteren Talenten ist der Mensch Werkzeug und Diener des einen Geistes – er soll dessen Schöpfung gestalten und hüten. Der Mensch hat die Verantwortung, sich in die höchste Ordnung, in die höchste Harmonie einzufügen. Indem er die natürlichen und moralischen Gesetze anerkennt, kann er den Sinn und eine Wertbezogenheit seiner Existenz erkennen. Nun tritt der Mensch in seine (Selbst-) Bestimmung und Aufgabe ein, die seinem Leben Sinn verleiht.

Ein Dahingleiten im eingebildeten, vorgegaukelten und scheinbaren Glück kann auf Dauer diese Urgewalt des Geistes nicht unterdrücken. Die Antworten nach dem Sinn des Lebens sind im eigenen Geist, der vom reinen Geist kommt, verankert. Von außen kommende Richtlinien, gut gemeinte Angebote und gute Ratschläge mögen vielleicht hilfreich sein, aber werden niemals exakt passend auf den individuellen  im Urgrund befindlichen Sinn sein. Diese äußeren Impulse sind abzuwägen, zu kontrollieren, ob sie mit dem Innern kompatibel und sinnvoll sind. Das Christentum spricht hier von der Unterscheidung der Geister – das, was von reinem Geist kommt, vom eigenen, schon schwachen Geist, oder gar vom bösen Geist. Hier wird ein hohes Maß an Selbstkritik und Selbsterkenntnis notwendig, das Erkennen seiner Gefühle und die Gründe seines Handelns. Das Gebet, das Gespräch mit Gott, dem reinen Geist, wird dabei zur Hilfsquelle.

Diese Unterscheidung der Geister bleibt eine lebenslange Aufgabe. Der reine Geist lässt den Menschen dabei wachsen, ihn ein Selbst-Verständnis entwickeln. Die Nähe zum Sinn des eigenen Lebens lässt einen immer selbstbestimmter werden und weniger manipulierbar. Alles, was einen beeinflusst, kann begonnen werden zu sortieren, ob es tatsächlich zu einem selbst gehört, weil es mit dem in uns wohnenden Hl. Geist harmoniert.

Der Christ bittet im Gebet darum, dass der Wille Gottes zum eigenen Willen wird. So entsteht eine innere Harmonie, die verantwortungsbewusster macht für das eigene Leben und gegenüber Anderen sowie der ganzen Schöpfung. Wenn die Liebe Gottes im Leben eines Christen strahlt, dann wird dieses stille Wirken zur wahren Missionierung der Menschen, auch darin ihren Sinn zu finden. Aus der individuellen Sinngebung entwickelt sich eine kollektive Sinngebung. Wer Harmonie und Frieden in sich trägt, führt die Gesellschaft zu Harmonisierung und Frieden.

Im Leistungsdenken und der Reduzierung des Menschen auf seine Funktionalität in der nihilistischen Gesellschaft, jagt sie den Wahn nach Glückseligkeit und meint diese im ungehemmten Konsum zu finden. Glückseligkeit ist jedoch nicht Spaß, der nie befriedigt werden kann. Ohne seinen Wert zu kennen, wird es leicht, Werte vorzuspiegeln. Diese scheinbare Realität nimmt die Urteilsfähigkeit, man fragt nicht mehr nach Sinn- und Zweckmäßigkeit. Früher oder später, manchmal auch nie, beginnt man die Sinnlosigkeit des Handelns zu spüren und eine Rückbesinnung setzt ein. Hier beginnt die Suche nach seinem Sinn. Es tauchen Fragen auf wie: Wer bin ich? Was will ich? Wozu bin ich? Wohin gehe ich?

Nun trifft man unweigerlich auf jene vermeintlich altmodischen, konservativen Werte wie Moral, Anstand, Sitte und Tugend, die aber, wie die Geschichte zeigt, immer Stabilität und Sicherheit vermittelt haben und zwar einer Gesellschaft insgesamt, nicht nur dem Einzelnen. Es sind keine alten Werte, sie sind zeitlos aktuell, weil immer wahr. Sie bleiben es, selbst wenn sich in einem gesellschaftlichen Wahn nur eine Minderheit ihnen zuwendet.

Vordringlich gilt es nicht die Gesellschaft zu missionieren, durch ideologische Debatten zu manipulieren, sondern bei sich selbst zu beginnen. In der Stärke des Einzelnen, der von seinem Sinn und den Werten weiß, fußt die Resilienz einer Gesellschaft, lebensfeindliche Strömungen zu widerstehen, Wert- und Sinnlosigkeit im Nihilismus abzulegen.

Die monotheistischen Religionsgemeinschaften waren seit jeher Orte, in denen Werte, der Sinn des Seins gepflegt wurden, weil sie sich auf den Urheber des Seins berufen. Gerade deshalb wurden und werden sie vom Nihilismus bekämpft. Etwa in christlichen Gemeinden werden generationsübergreifend in geschwisterlicher  Form die Erfahrungen ausgetauscht, die ein Leben mit und im reinen Geist, dem allmächtigen, liebenden Gott ausmachen. Wer von der Liebe und dem Sinn seines Daseins sprechen kann, der wird beides besser erkennen können, wenn es ihm begegnet. Die sinnstiftende Rückbindung an den Sinngeber lehrt die Würde des Menschen im vollen Umfange zu begreifen, die Werte anzuwenden, welche diese Würde gewährleisten und diese Moral und Ethik als innere Haltung zu festigen.

S.D.G.

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