Warum Christen von der Unsterblichkeit der Seele wissen

Die biblische Botschaft spricht von einer Unsterblichkeit des ganzen Menschen, nicht nur seiner Seele. Aus diesem Grund hat besonders die evangelische Theologie eine Unsterblichkeit der Seele abgelehnt, auch weil es der griechischen und damit heidnischen Lehre der Unsterblichkeit entsprechen soll. Im heutigen Weltbild wird es immer schwieriger sich eine Auferstehung des Leibes vorzustellen, würde es doch eine völlige Veränderung der Materie bedeuten. Das erscheint jedoch absurd, würde unserem Verständnis und Verhaltensweise von Materie widersprechen und wäre somit heillos mythologisch.

Eine Antwort darauf kann nur gelingen, wenn man nach den eigentlichen Intentionen der biblischen Aussagen fragt und die griechischen Vorstellungen neu bedenkt. Das Aufeinandertreffen beider Auffassungen prägten nämlich beide, überdeckten sich, und somit gilt es, beide wieder zu ihrem Anfang zurückzuführen.

Die Hoffnung auf die Auferweckung der Toten stellt zunächst einfach die Grundform der biblischen Unsterblichkeitshoffnung dar. Das Neue Testament sieht diese nicht als ergänzende Idee zu einer vorausgehenden und davon unabhängigen Unsterblichkeit der Seele, sondern als wesentliche Grundaussage über das Geschick des Menschen. Da bereits im Spätjüdischen Ansätze der Unsterblichkeitslehre griechischer Prägung eingeflossen sind, begann man deren Vorstellung und die biblische Botschaft des NT von der Auferweckung der Toten als sich ergänzende Antworten zu betrachten. Dem griechischen Vorwissen der unsterblichen Seele, fügte nun das NT die Offenbarung hinzu, dass auch der Körper auferweckt würde.

Doch griechische und biblische Vorstellungen sind im Grunde zwei unterschiedliche Gesamtanschauungen, die nicht einfach addiert werden können: Menschenbild, Gottesbild und das Bild der Zukunft ist jeweils zu verschieden. Der griechischen Auffassung liegt die Vorstellung zu Grunde, im Menschen seien zwei an sich einander fremde Substanzen zusammengefügt: der eine, der Körper, zerfällt, die andere, die Seele, ist unvergänglich und daher unabhängig von anderen Wesen. Erst durch die Trennung vom wesensfremden Körper gelangt die Seele zu ihrer vollen Eigentlichkeit. Gnostische Sekten verblieben später in dieser Auffassung und vermengten sie mit christlichen Aussagen.

Der biblische Gedankengang setzt jedoch die ungeteilte Einheit des Menschen voraus. Die Hl. Schrift kennt kein Wort, das nur Körper bedeutet und umgekehrt meint das Wort Seele in den allermeisten Fällen den ganzen leibhaftigen existierenden Menschen. Die Auferweckung der Toten, nicht der Körper, von dem die Hl. Schrift redet, handelt vom Heil des einen, ungeteilten Menschen. Der Kern des Auferstehungsglaubens ist nicht die Idee der Rückgabe der Körper.

Die biblische Unsterblichkeitsidee meint eine Unsterblichkeit der „Person“, des einen Menschen als Individuum. Das Griechische sieht den Menschen als Zerfallsprodukt, das nicht weiterlebt, sondern in der Trennung von Körper und Seele getrennte Wege geht. Der biblische Glaube jedoch weiß davon, dass das Wesen Mensch als Ganzes verwandelt wird und fortbesteht.

Unsterblichkeit ergibt sich im biblischen Kontext nicht einfach aus der Selbstverständlichkeit des „Nicht-sterben-Könnens“ des unteilbaren Menschen, sondern aus der rettenden Tat des einen Liebenden, Jesus Christus. Er allein hat die Macht dazu, damit der Mensch nicht mehr total untergehen wird, denn er ist von Gott erkannt und geliebt. Alle Liebe will Ewigkeit und Gottes Liebe wirkt und ist sie.

Die biblisch vorgestellte Unsterblichkeit geht nicht aus einer Eigenmacht des von sich aus Unzerstörbaren hervor, sondern im Einbezogensein im Dialog mit dem Schöpfer und darum heißt sie auch Auferweckung. Der Schöpfer meint nicht bloß die Seele, sondern auch jenen ganzen Menschen, der sich in der Leibhaftigkeit der Geschichte, seiner Geschichte, realisiert. Diesen ganzen Menschen gibt Gott Unsterblichkeit, deshalb muss es Auferweckung der Toten, der sündhaften Menschen heißen.

Diese Auferweckung wird am „Jüngsten Tag“ geschehen, in der Gemeinschaft aller Menschen. Die menschliche Unsterblichkeit hat somit einen mitmenschlichen Charakter. Sie hat Beziehung zur gesamten Menschheit, zu der hin und mit der jeder Einzelne gelebt hat und daher selig oder unselig wird. Die griechisch gedachte Seele sieht den Leib und so auch die Geschichte äußerlich. Die Seele existiert davon losgelöst weiter. Der biblische Befund jedoch blickt auf die Einheit des Menschen und die Mitmenschlichkeit ist konstitutiv: wenn er, die Person, der ganze Mensch, weiterleben soll, darf diese Dimension der Gemeinschaft nicht ausgeschlossen sein. Es wird die Gemeinschaft der Heiligen sein.

Die Zukunft des Menschen wurde erst im NT konkretisiert. In Christus, dem Menschen, wird der Mensch im Vater eins. Und ebenso ist Christus die Anrede Gottes an den Menschen, das „Wort Gottes“. Der Dialog Gottes mit dem Menschen bedeutet Leben, womit Christus, die fleischgewordene Rede an uns Menschen, die Auferstehung und das Leben ist. In dem der Mensch im Glauben in Christus eintritt, in dessen Gekannt- und Geliebtsein von Gott her, wird er unsterblich (Joh 3:15 f.; 3:36; 5:24).

In der Lazarusgeschichte des Evangelisten Johannes will der Autor dem Menschen begreiflich machen, dass Auferstehen nicht nur ein fernes Geschehen am Ende der Tage ist, sondern durch den Glauben jetzt geschieht. Der Gläubige steht im Gespräch mit Gott, das Leben ist und den Tod überdauert. In Christus, dem Menschen, trifft der Mensch Gott, aber auch die Gemeinschaft der anderen, deren Weg zu Gott durch ihn und zueinander läuft. Eine Orientierung auf Gott ist zugleich die Orientierung in die Gemeinschaft der Menschheit hinein. Diese Gemeinschaft muss vom Menschen angenommen werden, denn sie ist zugehen auf Gott, sonst bleibt man abseits von Christus und des Zusammenhangs der ganzen menschlichen Geschichte und ihres mitmenschlichen Auftrags. Hölle ist hier die bewusste persönliche Ablehnung der menschlichen Gemeinschaft und ihrer sowie der eigenen Geschichte in Gott.

Daraus klärt sich auch die Frage nach dem „Zwischenzustand“ zwischen Tod und Auferstehung. Im Glauben mit Christus zu sein bedeutet begonnenes Auferstehungsleben und überdauert den Tod (Phil 1:23; 2Kor 5:8; 1Thess 5:10). Der Dialog des Glaubens ist bereits Leben, das durch den Tod nicht mehr zerbrochen wird. Die Idee eines Todesschlafs ist vom NT her damit nicht zu halten. Das vorkommende biblische Wort „schlafen“ rechtfertigt diese Idee ebenso nicht, weil der geistige Duktus des NT ein anderer ist. Es ist eher die Unansprechbarkeit des Toten für die zurückgebliebenen Lebenden gemeint.

In der biblischen Auferstehungsverkündigung geht es nicht um eine Rückgabe der Körper an die Seelen nach einer langen Zwischenzeit. Ihr Sinn ist es den Menschen zu sagen, dass sie selbst weiterleben werden. Dies nicht aus eigener Macht, sondern weil sie in einer Weise von Gott gekannt und geliebt sind, weshalb sie nicht mehr untergehen können. Gegenüber der griechischen, dualistischen Unsterblichkeitskonzeption der Leib-Seele-Schematik, will die biblische Formel eine Unsterblichkeit durch Auferweckung des ganzen Menschen in dialogischen Geschehen Gott-Mensch vermitteln.

In dieser Auferweckung bleibt das Wesentliche des Menschen, seine Person: was in seiner irdischen Existenz an leibhaftiger Geistigkeit und durchgeisterter Leiblichkeit gereift ist, besteht auf andere Weise fort. Dieses Fortbestehen deshalb, weil es in Gottes Gedächtnis lebt und weil der Mensch selbst es ist, der lebt, nicht eine isolierte Seele. Darum gehört das mitmenschliche Element in diese Zukunft hinein. Die Zukunft des einzelnen Menschen wird erst dann voll und in Fülle sein, wenn die Zukunft der Menschheit erfüllt ist.

Doch damit gelangt man nicht etwa allein zu einer Unsterblichkeit der Frommen, obwohl die Fortexistenz des Menschen allein von Jesus Christus her geschieht. Denn da die Unsterblichkeit dialogischen Charakter hat und damit Auferweckung ist, kommt sie jedem Menschen zu, ohne dass etwas Sekundäres hinzugefügt werden müsste. Was Menschen unterscheidet, ist von Gott her gesehen, das Angesprochensein von Gott, sein Dialogpartner zu sein, ein von Gott gerufenes Wesen. Vom Menschen aus betrachtet, bedeutet das, dass der Mensch jenes Wesen ist, das Gott denken kann, auf Transzendenz hin geöffnet ist. Es geht dabei nicht darum, ob er Gott wirklich denkt, sich auf ihn hin öffnet, sondern dass er ein dazu befähigtes Wesen ist, auch wenn er, aus welchen Gründen auch immer, es vielleicht nie zu verwirklichen mag.

Eine geistige Seele zu haben bedeutet ein besonderes Gewolltsein, ein besonderes Gekannt- und Geliebtsein von Gott. Man ist als Mensch ein Wesen, das von Gott auf ewigen Dialog hin gerufen ist und darum seinerseits fähig, Gott zu erkennen und ihm zu antworten. Die Bibel zeigt uns hier eine personalistische und dialogische Sicht auf. Des Menschen Unsterblichkeit ist die dialogische Verwiesenheit auf Gott. Seine Liebe gibt allein Ewigkeit. Das ist kein Privileg der Frommen.

Der Auferstehungsleib muss dabei jenseits quasi-physikalischen Realismus gedacht werden. Er steht im Realismus des Heiligen Geistes. Wenn das griechische Wort „soma“ Leib, aber auch das Selbst bedeutet, findet sich eine Verständnisspur. Soma kann irdisch-geschichtlichen Leib bezeichnen, seine chemisch-physikalische Weise, aber auch „Pneuma“ sein, „Geist“. Das Selbst kann demnach zuerst ein chemisch-physikalischer Leib sein, dann wiederum definitiv in einer transphysikalischen Wirklichkeit erscheinen. Gerade bei Paulus (1Kor 15:50 ff.) sind Leib und Geist keine Gegensätze. Was er als Gegensatz definiert, sind „Fleischesleib“ und „Leib in der Weise des Geistes“.

Nimmt man die Aussage des Evangelisten Johannes hinzu (Joh 6:63), dann machen beide deutlich, dass die Auferstehung des Fleisches, die Auferstehung der Leiber, nicht eine Auferstehung der Körper ist. Paulus lehrt die Auferstehung der Personen und dies gerade nicht in der Wiederkehr des Fleisches. Das Leben der Auferstehung wird andersartig sein, so wie es im auferstandenen Herrn vorgebildet ist.

Wenn der ganze Kosmos, in den der Mensch eingebunden ist, Geschichte ist und die Materie ein Moment dieser Geschichte des Geistes, wird es kein ewiges neutrales Nebeneinander von Materie und Geist geben, sondern eine letzte Komplexität. In dieser wird die Welt ihr Omega und ihre Einheit finden. Materie und Geist erlangen einen letzten Zusammenhang und das Geschick von Mensch und Welt ist vollendet. Am „Jüngsten Tag“ wird somit das Geschick der Einzelmenschen voll, weil das Geschick der Menschheit erfüllt ist.

Hier wird auch eine völlige Andersartigkeit im Christlichen deutlich: Das Ziel des Christen ist nicht eine private Seligkeit, die oftmals in der modernen Esoterik oder auch in fernöstlichen Religionen angestrebt wird, sondern das Ganze. Ein Christ glaubt an Christus und darum an die Zukunft der Welt, nicht allein an seine Zukunft. Diese Zukunft ist mehr, als er selbst erschaffen kann. Es gibt einen Sinn, den er nicht zu zerstören vermag und das auch des Menschen Leid mit einbezieht.

Das bedeutet gerade nicht, dass ein Christ deshalb seine Hände in den Schoß legen kann. Eben, weil er um einen Sinn weiß, darum muss und kann er freudig sowie unverzagt das Werk der Geschichte, seine Geschichte, tun. Von seinem kleinen Ausschnitt her mag er oftmals das Gefühl haben, alles bleibe eine Sisyphusarbeit und jede Bemühungen werden zuschanden gemacht, doch, wer glaubt, weiß, dass es vorwärts geht und nicht im Kreis. Deshalb bedeutet Christsein auch kein Gefangensein im ewigen „Werden und Vergehen“ der Natur, welches sich gerne anthroposophische oder naturreligiöse Lehren zu eigen machen, sondern ein fortschreiten mit Sinn hin zum Ziel, das Gott ist.

Wenn also auch Christen Mutlosigkeit plagt aus Angst um die Fruchtlosigkeit ihres Tuns, dann sagt Gott ihnen im Dialog zu: „Habt Mut, ich habe die Welt überwunden“ (Joh 16:33). Die neue Welt wird in der Bibel als endgültiges Jerusalem bezeichnet. Sie ist keine Utopie, sondern eine Gewissheit, die wir als Christen im Glauben entgegen gehen. Der Erlöser hat in der Erlösung der Welt dem Christen eine tragende Zuversicht geschenkt. Deshalb ist es auch heute, gerade heute, lohnend ein Christ zu sein.

S.D.G.

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