Protestanten und Katholiken: Die Rechtfertigungslehre

Zwischen der Kirche und den evangelischen Gemeinschaften ist immer noch ungeklärt, wie die Mitwirkung des Menschen an seiner Erlösung zu verstehen ist. Luther sieht den Menschen durch die Erbsünde von Grund auf verdorben und somit nicht mehr fähig offen das Evangelium anzunehmen, für die katholische Kirche verblieb im Menschen nach dem Sündenfall ein Funken der Sehnsucht nach Gott. Deshalb hat er auch die Möglichkeit einen kleinen Schritt auf Gott zuzugehen. Gott und Mensch können demnach zusammenwirken, damit der Mensch erlöst wird. Gott würdigt auf diese Weise den Menschen. Nach Luther kann der Mensch dazu jedoch nichts beitragen. Augustinus fasste die katholische Rechtfertigungslehre folgendermaßen zusammen: „Gott, der uns ohne uns erschaffen hat, wollte uns nicht ohne uns erlösen“.

Es ist auch noch zwischen den Konfessionen ungeklärt, ob der Mensch durch die Gnade Gottes gerecht gemacht oder nur gerecht gesprochen wird. Die katholische Kirche sieht eine vollständige Versöhnung mit Gott durch gültige Taufe und würdiges Bußsakrament. Er wird damit wieder heil und sündlos. Eine andere Sicht sieht den Menschen beim Endgericht von Gott nur so behandelt, als wäre er sündlos, obwohl er Gerechter und Sünder zugleich ist. Man kann hier fragen: Kann ein Mensch, der die Formung durch den Hl. Geist annimmt, leben, ohne bewusst zu sündigen?

Die protestantische Heilsgewissheit besteht darin, dass ein Glaubender sich darauf verlassen kann, dass es nicht auf die Qualität des persönlichen Glaubens ankommt, sondern der Verdienst von Jesus Christus genügt. Wer also sein Vertrauen allein im Herrn setzt, wird durch das Gericht hindurch gerettet und das Heil auf Erden ist ihm sicher. Als Katholik vertraut man ebenso auf die Heilstat und Barmherzigkeit des Herrn, aber dem freien Willen des Menschen wird mehr Bedeutung als bei den Protestanten zugemessen. So kann sich ein Glaubender auch ungenügend Gott zuwenden oder sich von ihm sogar wieder abwenden.

Es ist allgemeines Verständnis, dass der Mensch sich sein Heil nicht verdienen kann, also keinen Anspruch darauf gegenüber Gott besteht. Eine menschliche Mitwirkung gelingt dabei aus katholischer Sicht allein durch die Gnade Gottes. Diese Gnade befähigt ihn auch dazu gute Werke zu tun, um dadurch ewigen Lohn, aber nicht das Heil zu verdienen. Lutheraner können dem nicht zustimmen, zumal Werke für sie ein heikles Thema sind. Die Lehre der Hauptströmung besagt jedoch ebenfalls, dass nicht nur der richtige Glaube wichtig ist, sondern auch gute Werke als notwendige Antwort auf Gottes vorauslaufende Gnade.

Betrachtet man die evangelische Rechtfertigungslehre, dann steht sie in manchen Bereichen vom Ansinnen des hl. Paulus entfernt. Er schreibt in seinen Briefen an keiner Stelle, dass der Mensch ohne eigenes Zutun gerecht wird. Luther übersetzt im Vers 28 im 3. Kapitel des Römerbriefs, dass der Mensch allein aus Glauben gerettet wird. Dabei fügte er das Wort „allein“ eigenmächtig hinzu, denn es ist in keiner Version des Urtextes vorhanden. Wenn Paulus den Gegensatz zwischen Glauben und Werke aufzeigt, dann bezieht er sich stets auf die Gesetzesreligion des Alten Bundes und nicht auf Frömmigkeitsregeln oder Glaubenspflichten eines Christen. Natürlich warnt auch Paulus vor der Versuchung der Selbsterlösung, gleichzeitig aber ebenso vor einer Antwortverweigerung auf die Erlösungswirkung Gottes. Lesen wir dazu einige Verse der Hl. Schrift:

„Bei deiner Verstocktheit aber und deinem unbekehrbaren Herzen häufst du dir Zorn an für den Tag des Zornes und der Offenbarung des Rechtsspruches Gottes, der »jedem vergelten wird nach seinen Werken« , und zwar denen, die in Beharrlichkeit des guten Wirkens nach Herrlichkeit, Ehre und Unvergänglichkeit trachten, mit ewigem Leben, denen aber, die sich widersetzen und der Wahrheit nicht beugen, sondern der Frevelhaftigkeit nachgehen, mit Zorn und Grimm“. (Rö 2:5-9). Und weiter: „Denn nicht die Hörer des Gesetzes sind gerecht vor Gott, sondern die das Gesetz erfüllen, sie werden als gerecht anerkannt werden.“ (Rö 2:13).

Ebenso: „Und dabei sollt ihr am Stand der Zeit erkennen, daß die Stunde schon da ist für euch, um vom Schlafe aufzustehen; denn näher ist jetzt unser Heil, als da wir zum Glauben kamen. Die Nacht ist vorgerückt, der Tag hat sich genaht. So laßt uns denn ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichtes! Wie am Tage laßt uns ehrbar wandeln, nicht in Schmausereien und Trinkgelagen, nicht in Wollust und Ausschweifungen, nicht in Streit und Eifersucht; zieht vielmehr den Herrn Jesus Christus an, und pflegt das Fleisch nicht so, daß es lüstern wird!“ (Rö 13:11-14).

„und so euer Wandel würdig sei des Herrn, ganz ihm zu Gefallen, und ihr Frucht bringt in jedem guten Werk und voranschreitet in der Erkenntnis Gottes.“ (Kol 1:10). „Glaubhaft ist das Wort, und ich möchte, daß du mit allem Nachdruck dich dafür einsetzest, damit sie, die an Gott glauben, es sich angelegen sein lassen, sich hervorzutun durch gute Werke. Das ist edel und von Nutzen für die Menschen.“ (Tit 3:8), „Auch die Unseren sollen lernen, voranzugehen in guten Werken bei Not und Bedürftigkeit, damit sie nicht ohne Fracht bleiben.“ (Tit 3:14).

Für Paulus sind Werke demnach wertvoll und heilsnotwendig, man kann Gutes tun und Böses unterlassen. In diesen Versen wird deutlich, dass Gott den Menschen nicht ohne Mitwirkung erlösen will. Die Lehre des Paulus ist also ganz die katholische.

Im Konzil von Trient wurde der Ablasshandel in der katholischen Kirche unter Androhung der Exkommunikation verboten. Gottes Gnade kann niemals erkauft werden. Somit ist dieser Anlass für die von Luther angestoßene Reformation beseitigt. Auch dass gute Werke das Heil nicht verdienen können ist innerkatholischer Konsens. Die protestantische Kirche würdigte den Konsens mit ihrer Lehre durch die in Augsburg verfasste Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre von 1999. Was Luther 1517 zu Recht beanstandete, ist von katholischer Seite bereinigt worden. Das Trennende heute sind Fragen und Probleme, die erst im weiteren Verlauf der Reformation entstanden sind.

 

S.D.G.

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