Hallo, Meister Eckhart: Gelassenheit, aber wie?

Der mittelalterliche Mystiker Meister Eckhart spricht davon, dass sich in der Gelassenheit dem Menschen Gott offenbart. Die Einheit mit Gott beginnt mit der Geburt Gottes in der Seele, die „unio mystica“. Die wichtigste Voraussetzung für diese unio mystica ist lt. Eckhart eben jene „Gelassenheit“. Indem man Denk- und Handelstrukturen überwindet kann man seine Weltbindung aufgeben. Etwas „zu lassen“ bedeutet etwa im positiven Sinn einen Neuanfang zu wagen, im negativen Sinn jemanden oder etwas im Stich zu lassen oder materiell Haus, Hof und Dinge zu lassen. Ganz persönlich kann man geistig von Mann, Frau, Vater, Mutter lassen, gerade wenn sie verstorben sind oder einen geistig binden. Nun ist es nicht mehr weit zu Meister Eckharts „lassen“ im spirituellen Sinn, nämlich sich selbst. Diese radikale Verlassenheit entdecken wir in Jesus Christus am Kreuz, wenn Gott selbst sich selbst lässt.

Gelassenheit ist für Meister Eckhart ein Sachverhalt, der Ruhe, Versenkung, Demut, Anbetung, Weisheit und Hingabe anzeigt. In der Gelassenheit kann der Mensch etwas aufgeben und etwas loslassen. Mit Ruhe und einem Gemüt, das im Guten versenkt ist, gelingt für den Mystiker die Einheit mit Gott, die unio mystica.

Aber Hallo, Herr Meister Eckhart, das sind große Worte. Sie sollen zwar zu einem erhabenen Ziel führen, letztendlich die Vervollkommnung zur Heiligkeit, jedoch wie funktioniert dies konkret heute in einer Welt der Zerstreuung? Ein „normaler“ Christ kann nur schwer mit solch weit ausholenden Schritten im Alltag beginnen, oft fehlt ihm Übung und Zeit. Wie es aber dennoch in einem ersten Schritt im Leben gelingen kann und dann zu höherem fortschreiten, hat mir persönlich eine Textstelle des Hl. Papstes Johannes XXIII. gelehrt, die er in seinem Tagebuch festhielt. Sie ist bekannt als die 10 Gebote der Gelassenheit:

  1. Nur für heute werde ich mich bemühen, den Tag zu erleben, ohne das Problem auf einmal lösen zu wollen.
  2. Nur für heute werde ich die größte Sorge für mein Auftreten pflegen: vornehm in meinem Verhalten; ich werde niemanden kritisieren, ja, ich werde nicht danach streben, die anderen zu korrigieren oder zu verbessern, nur mich selbst.
  3. Nur für heute werde ich in der Gewissheit glücklich sein, dass ich für das Glück geschaffen bin, nicht nur für die andere, sondern auch für diese Welt.
  4. Nur für heute werde ich mich an die Umstände anpassen, ohne zu verlangen, dass die Umstände sich an meine Wünsche anpassen.
  5. Nur für heute werde ich zehn Minuten meiner Zeit einer guten Lektüre widmen; wie die Nahrung für das Leben des Leibes notwendig ist, ist die gute Lektüre notwendig für das Leben der Seele.
  6. Nur für heute werde ich eine gute Tat vollbringen, und ich werde es niemandem erzählen!
  7. Nur für heute werde ich etwas tun, wozu ich keine Lust habe, es zu tun; sollte ich mich in meinen Gedanken beleidigt fühlen, werde ich dafür sorgen, dass niemand es merkt.
  8. Nur für heute werde ich ein genaues Programm aufstellen. Vielleicht halte ich mich nicht genau daran, aber ich werde es aufsetzen. Und ich werde mich vor zwei Übeln hüten: die Hetze und die Unentschlossenheit.
  9. Nur für heute werde ich fest glauben – selbst wenn die Umstände das Gegenteil zeigen sollten -, dass die gütige Vorsehung Gottes sich um mich kümmert, als gäbe es sonst niemanden in der Welt.
  10. Nur für heute werde ich keine Angst haben. Ganz besonders werde ich keine Angst haben, mich an allem zu erfreuen, was schön ist, und an die Güte zu glauben. Mir ist es gegeben, das Gute während zwölf Stunden zu wirken; mich könnte es entmutigen zu denken, dass ich es das ganze Leben durchsetzen muss.

Danke dafür, Heiliger Papst! Wenn es mir gelingt nur eines dieser „Gebote“ pro Woche umzusetzen, dann kann ich immer geübter werden, sich „zu lassen“. Einher gehen dabei eine immer größer werdende Vertrautheit mit Gott und somit seiner Liebe. Aus dieser Liebe wächst umso mehr die Bereitschaft in ihr zu handeln und zwar gelassen und geschwind, eben in wahrer Frömmigkeit.

Sich selbst einmal „zu lassen“ in Gelassenheit ist Christusnachfolge, ermöglicht in Gottes Kraft das eigene Kreuz leichter zu tragen und führt zur Kreuzigung des eigenen Selbst, so wie der göttliche Jesus als Mensch in der Krippe und am Kreuz sich selbst ließ. Das meinte wohl auch der Hl. Paulus, als er den Galatern verkündete: „Ich bin ja doch durch das Gesetz dem Gesetze gestorben, damit ich Gott lebe; mit Christus bin ich gekreuzigt worden. So lebe nun nicht mehr ich, es lebt in mir Christus. Soweit ich jetzt noch lebe im Fleische, lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich liebte und sich hingab für mich“ (2:19-20).

der emmauspilger
S.D.G.

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