Verschwörung und deren Theorien

Verschwörungstheorien sind auch heute willkommene formende Weltorientierung, gerade wenn diese sich nicht auf Gott ausrichten will oder kann. Sie besitzen seit Jahrhunderten eine ungebrochene Attraktivität, sie sind „Systeme kollektiver Imagination“. Ihre Funktion ist Komplexität zu reduzieren und dissonante Wahrnehmungen zu ordnen. Die Realität wird in ein dualistisches Weltbild eingespannt, alles kann in gut/böse, eigen/fremd etc., schwarz, weiß eingeteilt werden.

Leider wird dieses dualistische Weltbild auch von vielen falschen Gottesbildern an Christen vermittelt. Die Einteilung in gut und böse und das richten darüber werden dabei ausschließlich dem Menschen überlassen. Prophezeiungen in der Hl. Schrift, etwa in der Apokalypse oder den Endzeitreden Jesu, werden als Bestätigung von Verschwörungen aufgefasst. Jedoch wurden diese Informationen vom Hl. Geist den Menschen übermittelt, um als Christ im Glauben an den siegreichen Herrn Jesus gerade nicht in Angst, Panik oder Vermutungen über Verschwörungen zu verfallen. Deshalb ist es wichtig, theoretisch die innere Mechanik und Dynamik von einengendem Verschwörungsglauben zu erkennen, damit dieser nicht den wahren, befreienden Glauben an den Herrn Jesus Christus verdrängen kann.

Verschwörer und Verschwörungsgläubige nehmen grundsätzlich eine Konstruktion der Einteilung in gut/böse, eigen/fremd etc. vor und diese setzt sich fast zwanghaft in der Wahrnehmung und Einschätzung der Verschwörung und der Verschwörer hinein fort. Hier kehren sich dann die Pole um: während verschwörungstheoretisch die Verschwörung nach innen als verständlich konzipiert und nach außen als undurchschaubar behandelt werden muss, ergibt sich gleichzeitig die Notwendigkeit, sie trotzdem von außen als einschätzbar und durchschaubar einstufen zu müssen, soll die Gefahr gebannt werden. Es kommt zu einem Widerspruch, der nicht nur bisweilen zu den erstaunlichsten gedanklichen Verrenkungen führt, sondern erhöht auch ungewollt das Renommee der Verschwörer, macht sie im weitesten Sinn zu interessanten Figuren, deren Widerlegung oder Beseitigung daher als desto größere Leistung hingestellt werden kann. Die Verschwörung ist also ein in jeder Richtung ergiebiges Konstrukt, sowohl in ihrer Gestaltung als auch in ihrer Widerlegung.

Die idealtypische verschwörungstheoretische Konstruktion zeigt, dass Verschwörer meist als mächtig und schwach zugleich vorgestellt werden. Auffällig sind bei Verschwörungstheorien die stets vorherrschenden bewussten Handlungsabsichten und die Unterstellung beständigen Erfolgs von Planungsvorhaben, so als ob die Geschichte lückenlos und uneingeschränkt das Produkt freier Entscheidungen sei.

Eine Metatheorie über die Verschwörungstheorie steht somit vor vielen Herausforderungen. Gegenwärtig lassen sich besonders zwei Herangehensweisen unterscheiden, auf die kurz aufmerksam gemacht werden soll:

a) eine idealtypische Rekonstruktion und

b) eine bewusste Dekonstruktion.

zu a): Hinsichtlich der Zeitperspektive werden vergangenheits-, gegenwarts- oder zukunftsorientierte Verschwörungstheorien unterschieden. Auch räumlich sind universelle und regionale Typen der Verschwörung feststellbar. Mentalitätsgeschichtlich lassen sich Verschwörungstheorien als Ausdruck „kollektiver Ängste“ interpretieren, die einer eigenen Rationalität folgen. Man fasst die Grundmerkmale der Verschwörungstheorie wie folgt zusammen:

„1. Die Unterschätzung der Komplexität und Dynamik historischer Prozesse. 2. Der Glaube, daß man Handlungsfolgen bestimmten Handlungsintentionen mehr oder weniger linear zuschreiben kann, mit anderen Worten., daß die Handelnden ihres Handelns mächtiger wären als sie es sind. 3. Die Verknüpfung von zwei oder mehreren historischen Tatsachen durch einen Kausalnexus, der letztlich nicht beweisbar ist.“ (Groh).

zu b): Eine völlig andere Linie zeigt der Begriff „Konspiration“ in Zusammenhang mit Verschwörungstheorien auf. Der französische Philosoph Jacques Derrida liefert dazu eine Skizze der Mehrdeutigkeit des Begriffs: erstens bedeutet das französische Substantiv „conjuration“ soviel wie das englische Wort „conjuration“, welches aber „seinerseits gleichzeitig zweierlei bezeichnet. 1. Einerseits die Konspiration (conspiracy, auf deutsch Verschwörung) jener, die sich feierlich, manchmal auch heimlich verpflichten, indem sie zusammen schwören, einen Eid leisten (oath, Schwur), um gegen eine überlegene Macht zu kämpfen. […] 2. ‚conjuration‘ bedeutet andererseits die magische Beschwörung, die dazu bestimmt ist, einen Zauber oder einen Geist zu evozieren, ihn mittels der Stimme zum Kommen zu veranlassen, ihn herbeizurufen.“ Zweitens bedeutet aber das Wort „conjuration“ soviel wie Beschwörung („conjurement“), „das heißt den magischen Exorzismus, der im Gegenteil danach trachtet, den bösen Geist auszutreiben, der angerufen oder herbeizitiert wurde“.

Im Deutschen unterscheidet man zwischen Verschwörung und Beschwörung, wobei Beschwörung die doppelte Bedeutung von a) Herbeirufen eines hilfreichen Zaubergeistes und b) Austreibung eines bösen Geistes annimmt. Allerdings tritt im Deutschen noch eine weitere Variante auf im Sinne des Beschwörens als inständiges Bitten und Anflehen. Diese Bedeutung kann dann verstärkend zum Akt der Verschwörung (im Sinne wechselseitiger Bindung durch einen Schwur) hinzutreten, in dem man die Verbindlichkeit des Schwurs durch Anrufung eines Geistes (z. B. des Geistes der Väter oder der Tradition usw.) verstärkt.

Wer also überall Verschwörung dünkt und deshalb Verschwörungstheorien verfasst oder daran glaubt, weil er die alten Gespenster los werden will, läuft Gefahr, dabei neue Gespenster zu schaffen. Wer Gespenster jagt, wird oft selber zum Gespenst. Wer nur noch an Verschwörung denkt, verschwört sich am Ende gegen das Denken. Diese Logik gilt es zu dekonstruieren, zu zerlegen, um sie zum Verschwinden zu bringen. Aus dieser menschlichen Schwäche kann Jesus Christus im Herzen und der Hl. Geist in den Offenbarungen der Hl. Schrift helfen.

„Seid nüchtern und wachet! Euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge.“ (1Petr 5:8). Petrus mahnt uns, durch nüchternes und aufmerksames betrachten der Lebenswirklichkeit ohne Panik und Verurteilungen die Geister zu unterscheiden. Gerade zum Pfingstfest sollte man daran denken, dass der Hl. Geist dies im Menschen bewerkstelligen kann. Wer andere verurteilt oder ungeprüft Lügen weiterverbreitet, gar zu seinen Zwecken erfindet, trifft darin den suchenden Teufel.

Paulus gibt den Hinweis, dass man als Christ durch den Glauben nüchtern und positiv als Söhne und Töchter des Lichts den Tag betrachten kann. Es ist die Liebe, welche keine Angst vor Verschwörungen, Verschwörern und die Endzeit zulässt. Alles liegt dadurch klar und in voller Wahrheit vor Augen, es bedarf keiner Lügen und Verschwörungen, um die Welt erklären zu müssen, es führt in die Gelassenheit und es ist der Friede, der Friede des Herrn, der dabei wirkt, Hoffnung schenkt. Der wache Christ hat allein die Aufgabe und Berufung der Liebe in dieser Welt einen Ort zu geben, Räume der Liebe und damit für Gott zu schaffen. „Wir aber, die wir dem Tag gehören, wollen nüchtern sein, angetan mit dem Panzer des Glaubens und der Liebe und mit dem Helm der Hoffnung auf das Heil.“ (1Thess 5:8).

S.D.G.

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