Krisenmanagement: Die Ezechiel-Methode

Der Prophet Ezechiel fordert seine Geschwister im Volk Israel ständig auf umzukehren, ein neues Denken zu beginnen, sich von Gott verwandeln zu lassen, damit sich dessen Gnade, sein Handeln, sein Trost entfalten kann. Das Volk Israel befand sich in einer Krise: besiegt, des verheißenen Landes beraubt, vertrieben aus der Heimat nach Babylon, fremden Göttern und Kulturen ausgesetzt. Dabei legten sie sich falsche Krisenstrategien zurecht, die der Mensch jederzeit in Krisen anwendet. Man findet sie deshalb auch im 21. Jahrhundert bei Ortskirchen in der Krise.

Doch hat Ezechiel und das Wort Gottes, das Gott im Buch Ezechiel uns durch die Hl. Schrift vermittelt, zu aller Zeit und an jeden Ort Bedeutung. Denn falsche Krisenstrategien verhindern oftmals, dass Menschen sachgemäß mit einer Krise umgehen. Es müssen Pseudolösungen und falsche Hoffnungen in der Krise entlarvt werden, damit man sie geistig gesund übersteht, ja, als von Gott zugelassene Mittel erkannt, um stärker und weiser daraus hervor zu gehen. Welche falschen Strategien für Gläubige finden sich also in Krisen, denen sich Ezechiel entgegenstellt?

  1. Zurück zu praktischem Atheismus

Er fragte mich: »Siehst du, Menschensohn, was die Ältesten des Hauses Israel im Dunkeln verüben, ein jeder in seiner Bildkammer? Sie behaupten ja, der Herr sieht uns nicht, der Herr ließ das Land im Stich.«“ (Ez 8:12)

In Krisen kann ein Gläubiger der Versuchung erliegen, zu glauben, dass unglückliche, leidvolle Umstände oder das Versagen von Menschen zugleich als Versagen Gottes zu interpretieren sind. Gott kann auch zum endgültig Abwesenden werden. So fällt man in einen Privatkult zurück, der Heidentum und Gottferne in das Glaubensleben integriert. Die Sehnsucht nach Gott wird nicht mehr zugelassen und alternative Sinnangebote ersetzt sie. Aber gerade Gottferne muss auch durchlitten werden, um Gottes Treue zu erwidern.

  1. Trügerisches Vertrauen in äußere Sicherheiten

„Sie sagen: ›Sind nicht erst unlängst die Häuser gebaut worden? Die Stadt ist der Topf, und wir sind das Fleisch.‹“ (Ez 11:3)

Nach der Zerstörung von Jerusalem wurden notdürftig Stadtmauer und Häuser wieder repariert. Man nimmt die Krise nicht wahr, man verharmlost sie, sie wird zu einem äußerlichen Schönheitsfehler degradiert. Man vertraut auf erhaltene Reststrukturen und macht einfach weiter, wie bisher. Es wird versäumt, das bisherige Leben und die Strukturen zu hinterfragen, weil man allein den Besitzstand im Fokus hat. Die Qualität des Zusammenlebens muss jedoch auch analysiert werden, sie allein muss Gottes Gericht standhalten, nicht Äußerlichkeiten.

  1. Privater Erwählungsglaube auf Kosten anderer

„»Menschensohn, über alle deine Brüder, deine Sippenangehörigen und das ganze Haus Israel insgesamt sprechen die Bewohner Jerusalems: ›Fern sind sie vom Herrn; uns ist das Land zum Besitz gegeben.‹“ (Ez 11:15)

Es gibt stets Menschen, welche eine Krise nicht so hart trifft, wie andere. Doch es wäre falsch, diese dann als Auserwählte Gottes zu betrachten und die Anderen als von Gott Verlassene. Frömmigkeit auf Kosten Anderer ist kein Zeichen der Nähe Gottes. Es ist eine Ideologie der Sieger, der Stärkeren, sie zerstört die Solidarität und vermehrt das Unheil. Gott verlangt in Krisen ein eintreten füreinander, im Gebet und im Handeln.

„Die Bürger des Landes verübten Gewalt und begingen Raub. Den Elenden und Armen unterdrückten sie, den Fremdling vergewaltigten sie, ohne Rechtsschutz zu bieten. Da suchte ich unter ihnen einen Mann, der eine Mauer aufrichtete und vor mir für das Land in die Bresche träte, so daß ich es nicht hätte verwüsten müssen; aber ich fand keinen.“ (Ez 22:29-30).

Jenen in der Krise will Gott in ihrer Not jedoch besonders nah sein, wenn sie es zulassen:

„Darum sage: So spricht der Gebieter und Herr: Fürwahr, ich brachte sie fort unter die Völker und zerstreute sie über die Länder; ich bin ihnen nur in geringem Maß zum Heiligtum geworden in den Ländern, wohin sie kamen.“ (Ez 11:16)

  1. Verlagerung der göttlichen Botschaft

„»Menschensohn, was habt ihr da für ein Sprichwort über die israelitische Heimat, das lautet: ›Die Tage ziehen sich in die Länge, und zunichte wird jegliche Schau‹? »Menschensohn, siehe, das Haus Israel sagt: ›Die Schau, die er sieht, geht auf viele Tage, und für fernliegende Zeiten weissagt er.‹“ (Ez 12:22, 27)

Gott hat jenseits von seinem Gericht und Krisen neues im Sinn. Man muss zuvor das Alte loslassen können und darf nicht Aktualität und Gültigkeit von Gottes Wort in Frage stellen. Sonst weicht man durch Relativierung von Gottes Wort seinem Handeln nur aus, verschließt sich den zur eigenen Besserung auferlegten Herausforderungen und damit auch dem von Gott beabsichtigten kommenden Heil.

  1. Naiv frommer Optimismus

„»Menschensohn, die Bewohner jener Trümmerstätten im Lande Israel sagen: ›Ein einzelner Mann war Abraham und nahm das Land in Besitz; wir aber sind unser viele, uns ist das Land zum Besitz gegeben.‹“ (Ez 33:24)

Gottes Wort ermutigt, aber nicht allein das Lesen des Wortes ist notwendig, sondern, wie Abraham es tat, man muss nach Gottes Willen fragen und forschen. Optimismus kann sich auch an Gottes Weisung vorbeimogeln, wenn frommes Reden zum Gerede wird, zum Vorwand, sein Leben nicht ändern zu müssen, um seinen Besitzstand nur zu mehren. Religiöse Slogans und Parolen haben vor Gottes Gericht keinen Bestand.

  1. Gottes Wort und Weisung als Entertainment

„Du aber, Menschensohn, die Söhne deines Volkes pflegen Unterhaltung über dich an den Mauern und in den Hauseingängen. Sie sagen zueinander: ›Kommt doch und hört, was für ein Wort da vom Herrn ausgeht!‹ Und sie pflegen zu dir zu kommen wie bei einem Volksauflauf; sie sitzen vor dir und hören deine Worte, aber sie handeln nicht danach; denn Lügen sind in ihrem Munde, und ihr Herz strebt ihrem Gewinn nach. Wahrlich, für sie bist du wie ein Minnesänger mit schöner Stimme und vortrefflichem Saitenspiel; sie hören wohl deine Worte, aber handeln nicht danach.“ (Ez 33:30-32)

Gottes Wort ist oft erstaunlich neu und aktuell, überraschend, aufrüttelnd. Manche Menschen sehen darin lediglich einen guten Erlebniswert, eine prickelnde Unterhaltung. Sie wollen in Krisen daraus nur etwas Abwechslung, kleine Genusshäppchen erringen, ohne dass es sie innerlich berührt. Aber Gottes Wort ist nicht Entertainment, es will gehört und befolgt werden (siehe etwa Mt 5:21-27). So manche Prophezeiung und Gottes Weisung hätte bei ihrer Befolgung Unheil verhindert, wäre sie ernst genommen worden.

  1. Hören auf falsche Propheten

„Sie schauen Trug und wahrsagen Lüge, wenn sie sagen: ›Ausspruch des Herrn‹, obwohl der Herr sie nicht gesandt hat. Sie erwarten aber, daß er das Wort in Erfüllung gehen lasse. Habt ihr nicht Truggesichte geschaut und Lügenwahrsagung geredet, da ihr sagtet: ›Ausspruch des Herrn‹, obwohl ich doch nicht gesprochen habe? (Ez 13:6-7)

Wo Übergang, Unsicherheit vorhanden, Orientierung fehlt, wollen Menschen andere Menschen mit den Dingen ihres eigenen Herzens zu sich ziehen. Die Verkündigung richtet sich zudem nach den Erwartungen der Menschen, um damit zu verdienen. Im Ernstfall sind solche falsche Propheten wie Mietlinge (Joh 10:12) und flüchten. In Krisen kann eine auflebende Religion nicht dem Willen Gottes folgen, sondern fälschlicherweise den der Menschen.

  1. Anstatt Übernahme von Verantwortung: Zynismus

„»Wie kommt ihr dazu, daß ihr dieses Sprichwort im Lande Israel gebraucht: ›Die Väter aßen unreife Trauben, und den Söhnen wurden die Zähne stumpf‹?“ (Ez 18:2)

An der Not in Krisen gibt man anderen die Schuld, den Vorfahren, Gott. Die Verantwortung für die eigene Zeit und das Leben wird verweigert und hinter Zynismus verborgen. Doch von Gott aus kann jeder immer wieder neu anfangen, in dem man falsche Abhängigkeiten erkennt, sich davon löst und sich von Gott abhängig macht. Diese Umkehr setzt ein entschiedenes Ja zum Leben frei und übernimmt Verantwortung.

„Werft von euch all eure Untaten, die ihr gegen mich begangen habt; schafft euch ein neues Herz und einen neuen Geist! Warum wollt ihr denn sterben, Haus Israel? Denn ich habe kein Wohlgefallen am Tode dessen, der dem Tod verfallen ist« – Spruch des Gebieters und Herrn. »Kehrt also um, damit ihr lebt!«“ (Ez 18:31-32)

  1. Die Glaubens- und Lebensgeschichte leugnen

„Was euch in den Sinn steigt, das darf niemals geschehen, daß ihr nämlich sprecht: ›Wir wollen sein wie die Heidenvölker, wie die Sippen der Länder, und wollen Holz und Steine verehren.‹“ (Ez 20:32)

In der Krise werden alte Sicherheiten, Beziehungen abgebrochen und man dient sich vermeintlich den Stärkeren an, denen man zutraut, dass sie durch die Krise führen. Einmal geschehene Geschichte kann nicht rückgängig gemacht werden, wichtige Bestandteile des Lebens kann man nicht einfach abstreifen, gute Erfahrungen leugnen.

  1. Resignation

„Du aber, Menschensohn, rede zum Hause Israel: So habt ihr gesprochen: ›Unsere Vergehen und unsere Sünden belasten uns, und ihretwegen schwinden wir dahin. Wie könnten wir noch am Leben bleiben?‹ Sprich zu ihnen: So wahr ich lebe« – Spruch des Gebieters und Herrn -, »ich habe kein Wohlgefallen am Tode des Frevlers, sondern daran, daß der Frevler sich von seinem Wandel bekehre und lebe. Kehrt um, kehrt um von euren bösen Wegen! Warum wollt ihr denn sterben, ihr vom Hause Israel?“ (Ez 33:10-11)

Die Einsicht in eigenes Versagen und der Zusammenbruch der alten Ordnung führen dazu, bei sich stehen zu bleiben. Die eigenen Fehler werden dadurch erdrückend. Doch diese Trostlosigkeit kann man in der Einsicht seiner Fehler zu einer Umkehr zu Gott wenden. Die Betrachtung des eigenen Versagens darf daran nicht hindern. Gott ist der Gott des Lebens, er öffnet eine neue Zukunft, gerade in der Hoffnungslosigkeit und in der äußersten Krise.

„Da rief er mir zu: »Menschensohn, jene Gebeine bedeuten das ganze Haus Israel. Fürwahr, sie sprechen: ›Verdorrt sind unsere Gebeine, entschwunden ist unsere Hoffnung, mit uns ist es zu Ende.‹ Darum weissage und rede zu ihnen: So spricht der Gebieter und Herr: Siehe, ich öffne eure Gräber und hole euch aus euren Grabstätten heraus als mein Volk. Ich bringe euch heim ins Land Israel.“ (Ez 37:11-12)

Krisen beenden altes, geben aber ebenso Möglichkeiten zu neuen Aufbrüchen, Hoffnungen. In Krisenzeiten kann der Mensch fruchtbar seinen Standort analysieren und neue Wege wagen. Das Gottesbild erfährt eine Modifizierung.

  1. Der richtende und bedrohliche Gott entspricht nicht immer den menschlichen Wünschen und Erwartungen. In der Krise kann man aufrichtig über Gott sprechen, vom liebenden, aber auch richtenden Gott. Viele Psalmen haben dieses Gespräch zum Thema.
  2. Die Erfahrung von Gottferne weitet den Horizont. Gott ist für alle Menschen und seiner gesamten Schöpfung da. Gott gibt seinen Kindern keine Garantie nicht scheitern oder leiden zu müssen. Die Umkehr ist eine Herausforderung, die sich an jeden einzelnen richtet.
  3. In der Krise wird Identität hinterfragt. Beziehungen erhalten neues Gewicht, etwa zur Familie. Auch Gottes Wort wird wichtiger, als Rituale und Gesten. Das Vergängliche stellt Gott durch sein Wort auf festen Grund.

„Jesus antwortete ihm: »Wenn einer mich liebt, wird er mein Wort bewahren, und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen.“ (Joh 14:23)

S.D.G.

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