Biblische Bezüge zeigen auf, dass der Mann christologische Eigenschaften Gottes ausdrückt, die Frau pneumatische, d.h. den Hl. Geist repräsentiert. Die Frau wird von Gott als Hilfe für den Mann aus dessen Rippe (Seite) gebaut. Ihr muss Gott das Leben mittels seinem Odem nicht mehr einhauchen, denn sie ist bereits aus Leben geschaffen und Ausdruck des Hl. Geistes, weshalb sie ihn mittels des Hauches nicht mehr empfangen braucht.
Das Wort Hilfe erlangte im Laufe der Zeit manchmal eine negative Konnotation, aus der Putzfrau wurde antidiskriminierend zwar die Putzhilfe, aber man stellt sich weiterhin eine Arbeitskraft vor, die Tätigkeiten ausübt, die man selbst nicht durchführen mag. In der Bibel hat das verwendete hebräische Wort für Hilfe „ezra, ezer“ jedoch eine wertschätzende Bedeutung, denn es wird oftmals im Zusammenhang mit Gott erwähnt, der Hilfe gewährt (z.B. Ps 124:8) oder auch als Titel für Gott, der Helfer, verwendet (z.B. Ps 33:20). Hilfe meint hier also jene Art von Hilfe, die nur Gott bieten kann. Die Erwähnungen des hebräischen Wortes in der Bibel stellt Hilfe stets personifiziert dar, es handelt sich gleichfalls um eine Situation, in der das Leben unmittelbar bedroht ist, und der Helfende, der Einsatz Gottes, unabdingbar ist, um dem Tod zu entkommen.
Nehmen wir das Wort Hilfe in Gen 2:30 in diesem Sinne ernst, dann wurde die Frau von Gott geschaffen, um ihn selbst an der Seite Adams, dem Urtyp des Menschen, zu vertreten. Im Schöpfungsplan ist die Frau demnach der lebendige Tempel, in dem Gott dem Mann begegnen wollte. Von dort will Gott dem Manne Hilfe zukommen lassen. Der Katechismus der katholischen Kirche kommt dabei zu demselben Ergebnis, in dem die Frau als Hilfe des Mannes bezeichnet wird, die dadurch Gott vertritt (KKK 1605).
Die Frau ist im Schöpfungsplan Gottes die privilegierte Mittlerin zwischen Gott und dem Mann (der Menschheit). An der Schwelle des Todes, der Einsamkeit des Mannes, war und ist die Frau die rettende Hilfe zurück ins Leben. Das Vokabular der Bibel verwendet deshalb bewusst das Bauen Gottes der Frau aus der Rippe Adams, um so ihre Eigenschaft als lebendigen Tempel des Lebens zu betonen und eine Frau-Tempel-Typologie hervorzuheben. Tempel sind in der altorientalischen Welt die Wohnstätte Gottes, das Paradies. Sie sind jener Ort, an dem Gott gegenwärtig ist.
Das Bild der Frau als Tempel erklärt sich auch, in dem sie Haus für das Leben eines neuen Menschen werden kann. Dieser biologische Ausdruck ist aber nur äußeres Zeichen einer tieferen geistigen Verwandtschaft von Frauen und Tempeln. Ezechiel wurde etwa befohlen beim Tod seiner Frau, die Freude seiner Augen, nicht zu trauern. In ihrem Sterben wird die Zerstörung des Tempels in Jerusalem, die Freude der Augen des Volkes Israel, symbolisiert. Das Volk wird keine Zeit zum Trauern erhalten, weil es selbst in das Exil verschleppt wird.
Im Garten Eden war es Eva, die Lebensspenderin, die gleich darauf Adam die Frucht des Todes reichte. Dieser Sündenfall geht von Adam aus, welcher die Schlange nicht vertrieben hat, und von Eva, die der dreifachen Versuchung nachgibt. Von nun an spricht die Bibel vom alten und neuen Adam, von der alten und neuen Eva. Sie ist in ihrer Berufung zwar Quelle des Lebens, wird jedoch durch den Sündenfall ebenso zur Quelle des Todes.
Im Buch der Sprüche (1-9) stehen sich deshalb Frau Weisheit und Frau Torheit gegenüber, zeigen die Möglichkeiten, die Potenzen der Frau, der neuen und alten Eva, auf. Die dort auftretende „fremde Frau“ symbolisiert die Untreue zur Tora, den göttlichen Weisungen. Die wackere, starke und tüchtige Frau (Spr 31) ist hingegen die Verkörperung der Weisheit und ideale Gefährtin des Mannes.
Die positiven Erwähnungen der Frau als Lebensspenderin überwiegen in der Bibel bei weitem jenen, die sie als Todesbringerin bezeichnen. Viele dort beschriebene reale Frauen weisen den Typus der konkreten Hilfe für den Mann auf, sind Quellen der Weisheit und werden als Tempel erwähnt. Der heroische Glaube von Frauen in der Bibel bewahrte Patriarchen, Priestern und Königen das Leben, auch vor dem Tod ohne Nachkommen (z.B. Rachel, Hannah, Tamar, Rut).
Zippora, Heidin und Frau des Mose, rettet diesen vor dem leiblichen Tod (Ex 4:24-26). Rahab (Jos 2) ist die weite Tür (eine Anspielung auf ihren hebräischen Namen), durch das die Israeliten das Gelobte Land betreten. Deborah (hebr. „Biene“, Symbol der Weisheit) mahnt im Buch der Richter den Führer der Israeliten an, das Land von den Feinden zu befreien und für Frieden zu sorgen (die christologische Berufung des Mannes). Sie gibt die weisen Ratschläge, welche das Volk retten und die heidnische Frau Jael (Ri 4:17-24) tötet mutig den Feind. Judith hingegen ist eine Art weiblicher David. Mit Holofernes besiegt sie einen anderen Goliath, die beide das Volk Gottes vernichten wollen. Judith offenbart ihre Weisheit und Einsicht, ist eine große Glaubenszeugin (Jdt 8:14-24). Sie ist schlau und die Gedanken ihres Herzens edel (Jdt 8:29). Sie setzt ihre weiblichen Vorzüge und ihr Leben ein.
Weise Frauen hindern in der Bibel Männer daran, unschuldiges Blut zu vergießen und damit als Statthalter Gottes auf Erden zu versagen. Abigail ist schön, voll Weisheit und richtet jenes wieder in Ordnung, was ihr Mann in seiner Dummheit, seinem Aufbrausen verursacht und bewahrt dessen Gegner David davor Unrecht zu tun, Blutschuld auf sich zu laden und damit seine Berufung zum König zu verlieren (1Sam 25). David preist sie als Bote Gottes (also Engel). Als seine Frau übernimmt sie von Samuel die Führung des Gesalbten, wirkt als Prophetin und Vorgängerin Natans. Abigail ist Verkörperung jener Frau in Spr 31:10-12, gibt David seine moralische Integrität, die er als berufener König benötigt.
Die weise Witwe aus Tekoa (2Sam 14) ermahnt David zur Versöhnung mit seinem Sohn Absalom. Obwohl dieser schuldig, tritt die Weisheit, verkörpert in der Witwe, wie schon bei Abigail auch für den Schuldigen ein. Sie bewirkt Gnade, lässt David zum sichtbaren Abbild des unsichtbaren Gottes werden. Gott will nicht den Tod des Sünders, sondern seine Umkehr und dass er lebt. Kain, der Mörder, wurde von Gott nur verbannt, Absalom, der Sünder, soll von David Vergebung erfahren. Die Frau aus Tekoa ist Mahnerin dafür, dass Gott nicht nur seine Gerechtigkeit in die Welt trägt, sondern auch seine Barmherzigkeit.
Esther wirkt in einer Zeit, in der Gott sein Angesicht vor dem Volk Israel verborgen hat (in der jüdischen Tradition die Erklärung des Namens Esther). Gott ist jedoch nicht etwa abwesend, er verhüllt seine Anwesenheit in Esther. Sie ist mutig, intelligent und voller Entschiedenheit. Sie riskiert ihr Leben, um Gottes Volk zu retten. Allein ihr Glaube dämpft ihre Todesangst, ihr Gottvertrauen gibt Kraft zum Handeln.
Die Patriarchen Israels treffen ihre Frauen an einen Brunnen, Quelle des Lebens, und im Hohelied 4:15 wird die Geliebte so bezeichnet. Sie wird mit dem verschlossenen Garten, dem wiedergewonnen Paradies gleichgesetzt, mit Salomons Tempel in Jerusalem assoziiert. In diesem Tempel hat Gott Wohnung unter den Menschen genommen. Adam, der König, und Eva, das Volk Israel, haben hier wieder Gemeinschaft mit Gott. Im Hohelied ist dieser Tempel durch eine Frau, der Geliebten, repräsentiert.
Wie es sein kann, dass Gott, Quelle des lebendigen Wassers, in der Bibel mit der Frau verglichen wird, erfährt man im NT im Gespräch Jesu mit der Samariterin. Es ist der empfangene Hl. Geist, der zur Quelle des lebendigen Wassers im Menschen werden wird. Durch Gottes Gnade wird aus Glauben dieser Geist geschenkt. Die als weiblich personifizierte Kirche wurde dadurch für die Menschheit durch die Sakramente zur Quelle des lebendigen Wassers. Diese Kirche ist nicht anonym, sie besteht aus ihren Gliedern, aus den Menschen in ihr. Das Wasser kommt von einem höheren Ort, als Chiffre vom Libanon, er ist die Herrlichkeit Gottes im Himmel.
Maria ist in Person die Kirche. Sie ist innig mit dem Hl. Geist verbunden, sie ist sein Tempel. Durch sie kommt er zu den Menschen, hat seinen Ursprung allein in Gott. Die Geliebte im Hohen Lied als Frau ist die Geisttragende und sie hat Gott zu seinen Brunnen gemacht. Jesus hat sich so innig mit der Kirche verbunden, dass sie wird, was er dem Wesen nach ist, die Liebe, der Hl. Geist. Wer den Hl. Geist anschauen will, muss Maria anschauen, wer die dominante pneumatische Berufung der Frau erkennen will, muss Maria kennen.
Um ein wahrer Mann zu werden, braucht es die Hilfe solcher Frauen, die Komplementarität der Geschlechter ist eine biblische Aussage. Die Hilfe einer Frau wird damit zu Gottes Hilfe für den Mann. Gott stellt die Frau an die Seite jenes Mannes, zu dem er sie beruft, um diesen zu retten und lebendig zu machen, so dass dieser seine christologische Berufung ganz erfüllen kann. Maria, Archetyp der Frau, die neue Eva, die weder Göttin, noch unerreichbares Ideal ist, wird von Jesus, dem Archetyp des Mannes, dem neuen Adam, erneut vom Kreuz herab berufen. In dem er sie als Frau anredet, erhebt er sie zum universales Zeichen, definiert in ihr die Rolle des Frauseins, die weibliche Dimension der Kirche und die spezifische Berufung der Frau in der Kirche, die in erster Linie pneumatologisch ist.
S.D.G.