Man muss sich erst wieder bewusst werden, dass zwischen den Reformierten (die Nachfolger von Zwingli und Calvin) und den Lutheranern ein Unterschied in der Haltung zum Abendmahl besteht. Bei den Reformierten ist es ein Gedächtnismahl, bei dem Christus nicht anders anwesend ist, als überall sonst im Leben. Sowohl die Aussagen Jesu als auch seine Handlungen sind dabei nur symbolisch zu verstehen. Bei dem Nachvollzug dieser Symbole gedenkt der Gläubige an das Leiden und Sterben des Herrn, bekundet seine Bereitschaft zur Nachfolge und empfängt dadurch Segen. Der Ungläubige hingegen bekommt nur einen Schluck Wein und eine Oblate.
Bei den Lutheranern jedoch ist Christus während der Kommunion in Brot und Wein sehr wohl leibhaftig gegenwärtig in der Realpräsenz. Dies gilt ebenso für die Ungläubigen, denen es aber nicht zum Heil, aber zum Gericht gereicht. Der katholische Begriff der Transsubstantiation, der Wesensverwandlung, wird jedoch von den Lutheranern abgelehnt. Sie sprechen von der Konsubstantiation, d. h. Brot und Wein verwandeln sich nicht in Leib und Blut Christi, sondern die leibliche Gegenwart Christi tritt auf geheimnisvolle Weise zur natürlichen Gestalt der Elemente hinzu. Diese Gegenwart endet mit der Kommunion. Alle Reste von Brot und Wein sind somit wieder gewöhnliches Brot und gewöhnlicher Wein. Diese Lehre stammt allerdings nicht von Luther selbst, er hatte noch den Glauben an die bleibende Gegenwart Christi. Erst seine Nachfolger gaben diesen Glauben auf.
Zwischen Lutheranern und Reformierten besteht demnach zuerst ein unvereinbares Verständnis vom Abendmahl. Die lutherische Position ist dabei der katholischen um einiges näher. Reformierte und Lutheraner standen sich deswegen jahrhundertelang unversöhnlich gegenüber. Erst staatlicher Druck am Ende des 17. Jahrhunderts auf preußischen Gebieten zwang zu „Unionen“ zwischen den beiden protestantischen Bekenntnissen. Der lutherische Liederdichter Paul Gerhardt und viele andere leisteten dabei gegen diese Zwangsunionen heftigen Widerstand. Letztlich wurde ein wichtiges Glaubenselement per staatlichem Dekret festgelegt. Im 19. Jahrhundert spalteten sich deshalb auch lutherische Freikirchen ab (die heutige Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche SELK). Es war erst 1973 als in der „Leuenberger Konkordie“ die grundsätzliche Abendmahlsgemeinschaft zwischen den landeskirchlichen Lutheranern und den Reformierten geschlossen wurde. Viele Protestanten wissen seither oft nicht mehr, zu welcher Tradition sie eigentlich gehören und viele nominelle Lutheraner hängen tatsächlich der reformierten Abendmahlslehre an.
Einigkeit besteht unter den Protestanten, dass keine besondere Vollmacht notwendig ist, eine Abendmahlsfeier zu halten. Ein geweihter Amtsträger ist nicht nötig, jeder kann es, aber der Ordnung willen soll nicht jeder einer Feier vorstehen. Dies entspricht nicht der Überzeugung der traditionellen und apostolischen Kirchen seit Anbeginn der Christenheit. Deshalb kann das protestantische Abendmahl nicht von Altorientalen, Katholiken und Orthodoxen anerkannt werden.
Zweitrangig hierzu sind die unterschiedlichen Antworten auf die Frage, ob es sich in der Eucharistie um ein Opfer handelt, oder ob auch eine Kelchkommunion notwendig ist. Die protestantische Polemik verwendete jahrhundertelang zur katholischen Messe die Aussage, dort würde das Opfer Jesu ständig wiederholt, was gegen Hebr 10:10 steht. Damit sei diese Messe eine Gotteslästerung. Luther schuf deshalb die „Deutsche Messe“, die der katholischen Messe entsprach, bis auf die Texte zum Opfergedanken, die er strich. Heute ist diese Messe die normale Gottesdienstform der Lutheraner. In Wirklichkeit wird aber in der katholischen Messe das Opfer Jesu nicht wiederholt, sondern vergegenwärtigt. Wie bei einer Zeitmaschine wird Raum und Zeit übergreifend auf dem Altar das Opfer von Golgota zur Gegenwart, aber nicht als zigmillionstes Opfer, sondern als das Eine und Einzige Opfer Jesu. Die feiernde Gemeinde erlebt dieses Ereignis zusammen mit den Engeln im Himmel „live“ mit, wobei der Opfercharakter der Messe beibehalten wird.
Die Kelchkommunion wurde schon von den Hussiten gefordert und die Reformatoren führten sie als Symbol ihrer neuen Lehre mit Verweis auf Joh 6:56 gleich ein. Aus katholischer Sicht ist es auch nicht notwendig die Kelchkommunion allein dem Priester vorzubehalten. Es waren praktische Gründe, die im Mittelalter vorwiegend nur die Hostie bei der Kommunion zuließen. Laut der Konkumitanz-Lehre ist der Herr in beiden Gestalten, Brot und Wein, ganz gegenwärtig. Diese praktischen Gründe erscheinen heute besonders sinnvoll, betrachtet man die Entwicklung der Abendmahlsfeier bei den Protestanten. Aus Rücksicht auf Kinder und Alkoholkranke beginnt man dort den Wein durch Traubensaft zu ersetzen, was aus katholischer und konservativ-lutherischer Sicht unzulässig sowie ungültig ist, verstößt es doch gegen Lk 22:18. Zur Zeit Jesu war die „Frucht des Weinstocks“ mit Wasser vermischter vergorener Wein und kein Saft. Auch das Wegschütten des Abendmahlweins bei den Protestanten könnte vermieden werden, weiß man doch im Voraus nie die Zahl der Abendmahlsgäste.
S.D.G.