Star Wars: Der Glaube an die Macht

Nun dürfen wir uns im Kino die siebte Episode des Weltraummärchens mit dem Titel: „Das Erwachen der Macht“ besehen. Es stellt sich nun die Frage, was denn genau da zu erwachen hat und was denn da mit einem ist, wenn Han Solo oder Luke Skywalker bedeutungsvoll und mit pathetischem Ton aussprechen: „Möge die Macht mit dir sein“. Jedenfalls trugen 2001 bei einer Volkszählung in Neuseeland mehr als 53000 Menschen als Religionszugehörigkeit „Jedi“ ein, vielleicht auch als Spaß. 2003 wurde eine Erhebung unter Besuchern eines Themenparks und online durchgeführt, in der 18 % der Befragten den spirituellen Weg der Jedi auch zu ihrem spirituellen Weg erkoren, was kaum mehr als Spaß deklariert werden kann. Dieses Bekenntnis zur Macht reicht über religiöse Überzeugungen hinaus: Die Macht ist inzwischen auch bei Christen, Juden, Hindu oder Neuheiden eine spirituelle Realität. Diese nun religiöse Macht der Macht ist ein Kulturphänomen und sowohl in der imaginären Star-Wars-Welt als auch in der realen Welt bereits etwas ominöses, numinoses. Rund um den Planeten begrüßt man sich schon mit der Jedi-Formel: „May the force be with you. Always“, welche den Wunsch nach dem Segen Gottes ablöst.

George Lucas wird wohl an den Taoismus gedacht haben, als er die Jedi-Spiritualität in sein Weltraumepos einführte. Im Taoismus wird ein Urgrund, ein „Nichts“ angenommen, der vom Menschen transzendent erfahrbar ist, und alle Dinge durch zwei polare und dynamische Prinzipien, Yin und Yang, entstehen lässt und umwandelt. Der Mensch sucht nach dem Nichts und wird auch nicht mehr finden, ganz im Gegensatz zum christlichen Glauben, in dem die Suche nach dem Urgrund in eine Person kumuliert, Jesus Christus, und damit ihr Ende im liebevollen Sein an sich findet. Bei der immateriellen Macht in Star Wars wird man an den Dualismus der Antike erinnert, in dem das gleichwertig Gute und Böse mit dem Phänomen des Lebens in unklarer Weise zusammenhängen. George Lucas lässt Menschen, Jedi oder Sith, diese Mächte für sich arbeiten, beherrschen, aber auch hilflos ausgeliefert sein. Er rückt damit nahe an die frühesoterische Spiritualität der Hippie-Zeit heran, die, durch eine fernöstliche Karma-Lehre ermuntert, ihre Verantwortung für das Leben und ihr Handeln aufgibt und sich dem Gefühl sowie der vermeintlichen persönlichen Unbeeinflussbarkeit des Seins hingibt.

George Lucas war von Anfang an daran gelegen in seinem Weltraumepos einen imaginierten ideologischen Unterbau zu schaffen, der von dieser Macht geprägt ist. Ihm war bereits 1977 bewusst, dass ein Verlust an Glauben, Spiritualität und Religion in jungen Menschen eine Leere verursachen wird und eine Sehnsucht nach mehr entstehen lässt, die verkaufsfördernd ausgenützt werden kann. Dabei bietet Lucas ihnen ein spirituelles Light-Produkt an, das möglichst alle wichtigen Themen von Religionen zitiert und damit zu einem beliebigen, leicht aufzunehmenden Konstrukt wird, quasi ein Glaube an die Relativität des Glaubens. So wird diese allgemeine weltanschauliche Vorstellung von der Macht zu etwas inhaltsleerem, womit mit einer leeren Hülle die in einer gottfernen Welt entstandene eigentliche Leere in der Menschenseele aufgefüllt werden soll. Wichtig ist Lucas dabei eine klare Trennung zwischen Gut und Böse, um den Zuschauer nicht zu überfordern und manchmal ein Seitenblick darauf, dass das Böse oftmals nicht von außen wirkt, sondern bereits in einem selbst angelegt ist.

Man erkennt jene inhaltslose Hülle der Macht an den Yoda-Sprüchen der Jedi-Meister oder der Obergurus, die an Kalendersprüche erinnern. Etwa der Ausspruch „Tue es oder tue es nicht, versuchen gibt es nicht“ könnte aus einem chinesischen Glückskeks entsprungen sein und ist für jede Lebenssituation geeignet. Auch vom hochgeachteten Dalai Lama sind solche Sinnsprüche beliebiger Weisheit manchmal zu hören, die ohne eine weitergeübte Spiritualität nur von außen an etwas kratzen, was in der Seele eigentlich schon prinzipiell angelegt ist und nur entdeckt zu werden braucht. Ohne eine Suchbewegung des Menschen bleibt es jedoch beim Kratzgeräusch.

Die Macht in Star Wars ist kein rationales Prinzip, sie erhebt sich über die Rationalität und die Technik. Dies hat sie mit dem Glauben an Gott gemein: Beide decken die wahrgenommene Unzulänglichkeit einer rationalistischen Sicht auf die Welt, dieser Welt auf. Der Glaube an die Macht wird zu einem Konzept, das die Frucht der Aufklärung, den Rationalismus, zwar nicht bekämpft, aber als unzulänglich ansieht. Dabei wird die Technik nicht als Hindernis für das Sein betrachtet, sondern benützt, allerdings sind da keine träumerischen Technikutopien mehr vorhanden. Diese kritische Haltung, jenseits der grenzenlosen technischen Machbarkeitsfantasien des 20. Jahrhunderts, stellt sich eigentlich gegen die Moderne. Die Macht in Star Wars deckt demnach eine Achillesferse des Rationalismus auf: Dort bleibt die Kraft meist unbegründet, die Wissenschaftler Hertz und Mach wussten davon, Einstein führt die Kraft auf eine verzerrte Geometrie der Raumzeit zurück. Doch wie man es auch erklärt, die Erklärung selbst ist außerhalb des erklärbaren und irgendwann muss man bekennen: Entweder ist dort ein Nichts, aus dem völlig irrational etwas entsteht, oder es ist dort ein Etwas, das alles entstehen lässt. Die Macht in Star Wars legt diesen wunden Punkt der modernen Wissenschaft offen, die sich als geschlossenes System versteht, das nur noch nicht vollständig erklärt ist. Man steht zwischen zwei Spiegeln und meint, dass der eigene Blick auf die Vorder- und Rückseite seines Kopfes alles ist, was ist und schon gar kein Bild davon.

Die Macht in Star Wars löst für die moderne Massenkultur dieses Dilemma einer fast schon religiösen Wissenschaftsgläubigkeit, indem die rationalistisch kreierte Technik genützt wird und man eine transzendente Dimension von Wirklichkeit anerkennt, ohne sich aber für eines entscheiden zu müssen und damit Auswirkungen zu befürchten. Man könnte im christlichen Kontext auch sagen: Jesus Christus als Segnender und zusätzliche Versicherungspolice für den eigenen Lebensplan ja, aber ohne Umkehr, Reflexion, zurückfinden zu seinem eigentlichen Sein, ohne Konsequenz für sein Leben. Wie stark dennoch diese transzendente Dimension auch bei den Fans von Star Wars gespürt wird, zeigt sich in der Episode „Die dunkle Bedrohung“ von 1997. Darin nehmen Jedi-Ritter einem kleinen Jungen, dem zukünftigen Darth Vader, Blut ab, um dessen besondere Neigung zur Macht erklären zu können. Dabei werden sogenannte Midi-Chlorians entdeckt, mikroskopische Lebewesen, deren Konzentration proportional zur Erstarkung der Macht in einer Person ansteigt. Viele Fans lehnen dieses Drehbuchdetail kategorisch ab, weil es „die Macht“ auf biologische Vorgänge reduzieren will. Ähnliches geschieht heute in der realen Welt, wenn man wissenschaftlich nach einem „Gottes-Gen“ sucht oder aufgrund der medizinischen Fortschritte die Möglichkeit der Auferstehung von Toten zu widerlegen glaubt.

In der siebten Episode „Das Erwachen der Macht“ ist bereits nach einer Generation das Wissen um die Macht versunken, zur Legende geworden. Auch hier zeigt sich eine gute Beobachtungsgabe der Drehbuchautoren: Der Glaube an die Macht, oder im wahren Leben an Gott, ist stets gefährdet vom Rationalismus verdrängt zu werden. Das Sichtbare ist dem Menschen ohne bewahrte Spiritualität in einem egozentrischen Kosmos stets näher als das Unsichtbare. Im Zeitraum einer Generation geschieht es auch in Westeuropa, dass aus einem christlichen Kontinent ein Kontinent ohne Spiritualität, ohne Gott wird, und die Menschen sind dann geradezu verstört, wenn Muslime wieder einen Hauch dieser Transzendenz über das Land legen. Der Schauer geht tief, denn er rührt an jene verneinte Sehnsucht nach Erfüllung dieses gottförmigen Lochs in der Seele des Menschen. Er versucht es zwar verzweifelt mit Hüllen ohne Inhalt zu besetzen, mit einer vergötterten Materie oder ungebändigten Emotionen, aber der leere Platz in ihren Seelen gehört eben nur dem Einen. Und er wartet voll geduldiger Liebe darauf ihn wieder einnehmen zu dürfen – um zu heilen.

der emmauspilger

S.D.G.

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