Der Sacro Monte von Varallo

Die christliche Tradition kannte und förderte Wallfahrten zu den heiligen Stätten im Hl. Land. Hier lagen die Orte der Menschwerdung Gottes, die Orte von Leben, Leiden, Tod und Auferstehung des Herrn. Jedoch gab es immer wieder Zeiten, in denen das Pilgern in das Hl. Land aus politischen Gründen nicht möglich war. Nach dem Fall Konstantinopels 1453 besetzte das ottomanische Heer der Türken das gesamte Hl. Land und erschwerte den Zugang für Christen. Doch deren Sehnsucht nach Jerusalem blieb. In der Renaissance gerann diese Sehnsucht in Europa in die Errichtung von sogenannten „heiligen Bergen“, die Sacri Monti. 1481 war es ein Franziskaner aus Mailand, Br. Bernardino Caimi, der auf einer Bergkuppe bei Varallo in Val Sesia erstmals die heiligen Stätten Palästinas nachbildete. Figürliche Darstellungen, Kapellen und Bilder ließen den Betrachter nun geistig in die Heimat des Herrn pilgern.

Bruder Bernardino war zuvor selbst mehrere Jahre im Hl. Land tätig. Er führte zudem Pilger aus seiner italienischen Heimat zu den heiligen Stätten. Im Auftrag des Franziskanerordens besuchte er Papst Sixtus IV. und legte ihm die schwierige Situation im Hl. Land dar. Danach ging Bernardino zurück nach Norditalien und dachte sich bei Varallo sein Jerusalem in den Alpen aus. Dabei wollte er seine Miniaturen besonders getreu den Vorbildern im Hl. Land nachbilden. Ein Breve von Papst Innozenz VIII. ermächtigte ihn schließlich dazu, die Stadtverwaltung von Varallo erteilte die Erlaubnis zu einem Klosterbau und zum Bau seines „Neuen Jerusalems“.

Am 7. Oktober 1493 zogen die Franziskaner dann in ihr Kloster S. Maria delle Grazie ein. Am Berg standen bereits die Kapellen der Grablegung, der Himmelfahrt und des Heiligen Grabes. Die Jahre danach folgten Kapellen für die Grotte von Nazareth, der Geburtsgrotte von Betlehem, den Abendmahlsaal, den Heimgang Mariens und deren Grab. Als Bruder Bernardino starb, setzte sein Mitbruder Candido Ranzio das Werk fort. Er wirkte bis 1509. Schon im Jahre 1514 gab es den ersten geistlichen und geografischen Führer des Sacro Monte, der die 27 errichteten Kapellen vorstellte.

Ein bedeutender Künstler, der an den Werken mitarbeitete, war der Maler und Bildhauer Gaudenzio Ferrari. Sein Schüler, der Maler Bernardino Lamio, fertigte die Fresken im alten Palast des Pilatus. Doch besonders reizend sind die Kleinarchitekturen von Ferrari. Er stattete sie mit lebensgroßen Figuren und gemalten Hintergründen aus, welche Darstellungen der Heilsgeschichte zeigen. Verschiedene Fürsten und Landesherren stifteten die Figuren und Kapellen, deren Zahl so bis auf 44 anstieg.

Die Szenen in den Kapellen wirken wie ein permanentes heiliges Theater. Dabei war das geistige Klima während der Gegenreformation in der nachtridentinischen Zeit des Früh- und Hochbarocks sehr hilfreich. So war Varallo erst der Anfang: im Piemont und der halben Lombardei waren bald darauf eine Vielzahl solcher „Sacro Monte“ in die Landschaft gestreut. Dort wirkten meist Franziskaner oder andere franziskanische Orden als Impulsgeber, auch in weiter entfernten Gebieten wie Österreich, Böhmen und Polen. Besonders schöne Nachfolger von Varallo sind in Varese (S. Maria del Monte) entstanden, wo die 15 Geheimnisse des Rosenkranzes dargestellt sind, oder in Orta mit den 20 Stationen aus dem Leben des Hl. Franziskus. Auch am Sacro Monte Calvaria in Domodossola und am Sacro Monte bei Oropa trifft man auf prächtig angelegte Heilige Berge. Sie und Varallo wurden deshalb am 4. Juli 2003 zum Weltkulturgut der UNESCO erhoben.

Der Einfluss dieser oberitalienischen Wallfahrtsorte strahlte auch auf die benachbarte italienische Schweiz aus. Aus dem 16./17. Jahrhundert stammt der Kalvarienberg von Madonna del Sasso bei Locarno, aus dem 18. Jahrhundert jener von Brissago, beide sind leider nicht mehr vollständig erhalten. In der Nordostschweiz wurde im 19. Jahrhundert eine „Sacro-Monte-Anlage“ bei Maria Bildstein im Grenzgebiet zum Glarner Land errichtet.

Über die Jahre besuchten viele Pilger aus verschiedenen Ständen und Schichten den ersten heiligen Berg von Varallo. Der Hl. Karl Borromäus war im 16. Jahrhundert viermal im „Neuen Jerusalem“ und förderte die Wallfahrt. Er beschreibt seine Besuche stets als großes geistiges Erlebnis und als Lieblingsort wählte er die Kapelle „Jesus im Ölgarten“. In ihr erinnert heute eine Statue im Nebenraum an den Heiligen. Hier soll er sich auch auf seinen Tod vorbereitet haben, denn nach seinem letzten Besuch starb er am 3. November 1584.

Weitere Pilger waren die Hl. Angela Merici und der letzte Herzog von Mailand Francesco II. Sforza. König Karl Emmanuel I. stiftete gar eine Kapelle. Königin Margerita bestieg 1892 den Sacro Monte, ebenso Monsignore Achille Ratti, später Papst Pius XI. Am 3. und 4. November war es der Hl. Papst Johannes Paul II., der hierher pilgerte. Den 500. Jahrestag der Gründung des Hl. Berges feierten zusammen 1986 Kardinal Martini, Erzbischof von Mailand, und der damalige Patriarch von Jerusalem Giacomo Giuseppe Betritti. Und bis heute werden die Herzen der Besucher von diesem heiligen Theater ergriffen.

der emmauspilger

S.D.G.

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